Seit 20 Jahren sind die Steuern erhöht worden, hat die Gruppe der
Arbeitnehmer immer mehr Steuern zahlen müssen. Obwohl Millionen Menschen arbeitslos sind, Arbeitslosengeld oder gar Sozialhilfe erhalten. Vielen wurde die reguläre Arbeitszeit gekürzt oder sie dürfen nur noch von Fall zu Fall arbeiten. Haben also auch nur noch von Fall zu Fall Einkünfte - und ihr Rentenanspruch im Alter? Nicht daran denken? Das nennt man Flexibilität. Wer ist "man"? Das sind die, die heute schon wohlbestallt sind, hohe Einkommen haben, große
Vermögen, gesicherte auskömmliche Altersversorgung. Und eine gesicherte Zukunftsperspektive. Was sind das für Leute, die so fein heraus sind? Unternehmer, Manager, mancher Selbständige oder Freiberufler, auch mancher Groß-Bauer. Aber auch unsere Abgeordneten sind nicht schlecht versorgt. Ist das aber etwa schlecht, daß das so ist? Auch wenn es nur den wenigsten Bürgern so gut geht? Nein, das ist nicht schlecht - das ist notwendig. Warum? Wir hören doch jeden Tag, auch jetzt
im 17. Jahr der Kohl-Ära, daß es unserem Land schlecht geht, daß unsere Wirtschaft darbt, daß wir einer der Fußkranken unter den Wirtschafts- und Denkernationen der Welt geworden sind - wohl durch die Schuld "von uns allen". Und wir hören mit Staunen, daß die meisten Deutschen faule, unfähige Nichtsnutze sind, die nicht begreifen wollen, wie groß und gut gepolstert ihr soziales Netz ist, in dem sie sich in aller Unschuld oder in aller Unverschämtheit tummeln. Unsere
Wirtschaftsführer aber, die jeden morgen in aller Früh beginnen, sich den Kopf des Volkes (und "der Politik") zu zerbrechen, haben hellsichtig die Gefahren erkannt, die dem Ganzen drohen. Und: sie haben den Mut, die bittere Lage schonungslos zu beschreiben. Auch wenn sie dafür böse verfolgt und beleidigt werden. Da sie so verantwortungsbewußt sind, haben sie sich selbstverständlich auch Gedanken über die Medizin gemacht. Daß die Medizin, gemessen an der Schwere der Krankheit,
bitter sein muß, dürfte leicht fallen einzusehen. Leicht gefallen ist es vor allem den modernen Sozialdemokraten, eine besonders schlaue, infame und hinterhältige Hilfstruppe der Weltwirtschaftsunternehmer. Diese Helden galten bis zum Wahltag mit ihrer Partei, der sog. SPD, als Schutzmacht der kleinen Leute. Kaum waren sie im Amt, hatten ihre wunderbaren Mandate errungen durch das Vertrauen, die Wahlentscheidung einer großen Mehrheit der Wähler, die das Volk
bilden, wurden sie zu Verantwortungsträgern. Und krochen mit vereinter Denkmacht den Unternehmern hinten rein, beschimpften ihre eigene Partei als hinterwäldlerisch und reaktionär, als dumm und unfähig - kurz, sie übernahmen das ganze Vokabular ihrer seitherigen politischen Gegner. Gleichzeitig überzogen sie ihre eigenen Parteifreunde, die entweder nicht so schnell purzeln wollten oder sich nicht so schnell das Kreuz verbiegen können, ja, das nicht einmal in Erwägung ziehen (!), mit vielen
öffentlichen Mobbings, sprachen schlecht über sie und ließen sich von den seitherigen Gegnern, den Unternehmern und den (Geld-)Schein-Liberalen loben für so viel Anpassungsfähigkeit. Der 27. September hatte es möglich gemacht, eine ganz neue Politik zu gestalten, wirklich zum Wohle des Volkes - zumindest eines übergroßen Anteiles. Das hätte u.a. bedeutet, all den bisherigen Steuerbetrügern und Steuerverkürzern, den Geld- und Vermögensverschiebern nicht nur die rote Karte zu zeigen,
sondern sie mit dem Gesetzbuch unseres Landes vertraut zu machen. Und darin steht, daß alle in diesem Land, Bürger und Millionäre, Reiche und Vermögensstarke, gemeinsam dieses Land Deutschland mit Steuerkraft zu versorgen haben, auf daß der Staat, unser aller Staat, daraus eine Mehrung des Volksvermögens bewirken kann. Wie das? Noch mehr Staatsquote, wenn auch die Dickbälge, wie man früher so schön gemein sagte, kräftig Steuern zahlen müssen, kräftig wie die
Arbeitnehmer, aber viel mehr in schönen DM und später Euros, da sie viel mehr an Einkünften beziehen, viel größere Vermögen besitzen. Ja, ganz gewiß - das wäre gerecht. Und es geht. Umverteilung nennen die das, die seit zwanzig Jahren immer weniger Steuern gezahlt haben und deren Vermögen Jahr für Jahr stärker ins schier Uferlose wuchsen, steuerfrei - aber gestärkt durch Steuergeschenke, die vom Volk aufgebracht werden. Tag für Tag. Noch mehr Staatsquote? Wem soll das
nützen? Ist das nicht entsetzlich schädlich, ja verantwortungslos, so etwas auch nur denken zu wollen? Staatsquote ist kein Wert oder Unwert an sich. Es kommt darauf an, was der Staat damit macht, welche Beschlüsse unsere Volksvertreter fassen. Diese könnten beschließen, daß, wenn denn schon Steuergerechtigkeit sein muß, dann auch mehr Geld in die Bildung und Ausbildung aller Schichten des Volkes gesteckt werden kann, daß alle eine gescheite und bezahlbare Altersversorgung erhalten und eine gute und bezahlbare Krankenversicherung behalten, daß Wohnraum bezahlbar bleibt, wieder Geld für Kinder und Kultur zur Verfügung steht - und daß letztenendes alle eine gescheite Arbeit bekommen, mit der sie sich (ihre Familien!) aus eigener Kraft ernähren können. Und wer nicht arbeiten will, bekommt auch keine Stütze - er stützt sich selbst. Das wäre doch gerecht. Oder?
Oder? Es paßt denen da oben aber nicht, denen, die 20 Jahre lang geschmiert worden sind, den Unternehmern und den Opfergängern in der freien Publizistik. Das wäre tragisch geworden - denn bei uns, in einer Demokratie also, geht die Macht vom Volke aus. Primat der Politik nennen Staatsrechtler das. Aber dann kamen die modernen Sozialdemokraten, und wußten Rat. Und sagten es laut und deutlich: ein klares Nein zur Umverteilung, gegen jegliche Steuererhöhung, für
Steuerentlastung der Wirtschaft, die bekanntlich kaum noch zum Steuerkuchen des Staates beiträgt. Die Subventionen bleiben, wo sie sind: in den Taschen der Mächtigen. Und auch die Vermögensbesitzer bleiben... ungeschoren, ungerupft. Die Erhebung der Vermögenssteuer (zuletzt knapp 10 Md. DM!) ist angeblich "zu teuer", unwirtschaftlich. Nein, man ist nach Oskar Lafontaines Abgang als Steuersenkungspartei ganz neu angetreten - das ist das Credo. Das Credo, das wir alle seit 20
Jahren kennen. Die Steuern der Wirtschaft müssen auf Null gesenkt werden. Und die Rechte der Arbeitnehmer auch. Flexibilisierung nennt man das. Wenn die meisten rechtlos werden, nur noch Angst um den nächsten Job haben. Und keine eigene Lebensplanung mehr machen können. Steuererhöhungen für die, die 20 Jahre lang verschont geblieben sind? Auf keinen Fall. Aber Leistungskürzungen für viele Bürger, die unter einem Staat leiden werden, der immer ärmer gemacht wird. Von denen,
die die Macht dazu haben. Und von den neuen Sozialdemokraten, die sich als Vollstrecker fühlen. Armes Deutschland, mir wird angst und bange. Steuererhöhungen? Steuergerechtigkeit? Welch entsetzlicher Irrtum. Nein, die modernen Sozialdemokraten setzen auf Bewährtes: weiter wie bisher. Nur das (Führungs-)Personal hat gewechselt!. Kein Problem: die Tröge sind ja groß genug... Kontinuität. Überall. Nur, daß die Sozis alle künftigen Wahlen
verlieren werden. Zu Recht. 2.8.99 |