Korruption, Bestechung - gefördert durch hemmungslose Privatisierung? Köln ist überall.

Die Ausarbeitung von Werner Rügemer über die engen Verflechtungen von Politik und Müllwirtschaft stellt das Beziehungsgeflecht in der Stadt Köln, des politischen Kölschen Klüngels und der interessierten privatwirtschaftlichen Nutzer dar, die zur Privatisierung der Kölner Müllabfuhr geführt haben: ein gigantisches Geschäft. Nur nicht für die Kölner Bürger. Die jetzt bekannt gewordene Bestechungs- und Korruptionsaffaire verwundert da überhaupt nicht mehr. Sie ist im  System angelegt.

Der Autor legt dar, wie es zu einer schamlos-korrupten Müllentsorgung unverantwortlichen Ausmaßes in Köln gekommen ist. Hauptdarsteller im Vorfeld: der damalige Regierungspräsident Antwerpes als Einfädler des Geflechtes, klar doch, div. SPD- und CDU-Hauptbeteiligte des Kölschen Klüngels, der RWE-Ableger Trienekens, aber selbstverständlich gab es auch bei der FDP Nutznießer. An den damaligen Nutznießern hat sich bis heute, wie wir jetzt gesehen haben oder noch sehen werden, nichts geändert.

Von all der Korruptheit und der Klüngelwirtschaft abgesehen, die sicher keinerlei Anspruch erhebt, auf Köln beschränkt zu sein (ich erinnere an die Bau-Korruptionsskandale in Frankfurt am Main, Main-Taunus-Kreis, Hoch-Taunus-Kreis, Darmstadt), ist folgendes mustergültig demonstriert:

1. Kommunale Aufgaben werden "privatisiert": andere Rechtsform, Aufnahme eines "Investors".
2. Ungleiche Verträge der erbärmlichsten Art werden geschlossen: die öffentliche Hand garantiert nicht nur angemessene Verzinsungen und Risikoprämien, sie bürgt auch für die Kredite, trägt jedes unternehmerische Risiko.
3. Die Anlage wird unverantwortlich groß gebaut - Steuergeld wird vollkommen sinnlos verpulvert. Die Größe des Bedarfes wird gegen jede Sachkunde ins Gigantische überzeichnet.
4. Wettbewerb wird systematisch ausgeschlossen - bei der Konzeptionierung, bei der Planung, beim Bau, beim Betrieb.
5. Es wird mit in der Höhe freigewählten angeblichen Schadenersatzverpflichtungen hantiert/gedroht, um sachgerechte Nachprüfungen durch die Parlamentarier (arme Ehrenamtliche!) oder ebenso die Bürgerbeteiligungsrechte im Keim zu ersticken.

Selbstverständlich haben nach heutiger Lesart die Bürger Kölns eine Menge von dieser Art der Problemlösung: sie sind Nutzer einer angeblich doch soo erstrebenswerten privatwirtschaftlichen Lösung, die Stadt Köln hat sich von Arbeit und Aufgaben, die ja bekanntlich "von Privaten viel besser, unbürokratischer und schneller gelöst" werden können, erfolgreich befreit... (ein Schritt zur "Konzentration auf die Kernaufgaben" nennt man das wohl) und es ist, dank so viel altruistischer Weitsicht, möglich, die Müllentsorgung für halb NRW sicherzustellen. Selbst italienische Kommunen sollen davon profitieren - sie haben den Müll, die AVP die ungenutzten Kapazitäten.

Im Ernst: wir erleben hier ein Musterbeispiel für die "Privatisierung" städtischer Aufgaben, wir erleben, wie riesige Vermögen gebildet werden - selbstverständlich ganz legal und in privater externer Hand, und wir erkennen, daß den Versuchungen viel zu viele erliegen, bei so viel und so leicht fließendem Geld: kaum jemand ist in der Lage, saubere Hände zu behalten.

Wer schon 'was hat, Amt und Würden, ist auch bei den o.g. Verteilungen dabei. Die anderen, die nicht den rechten Durchblick haben, kriegen das Maul gestopft, wenn sie irgendwo mal mit dem Fragen anfangen wollen.

Fazit: als normale Bürger (“normal”: wir sind Zahlende und wollen eine ordentliche Gegenleistung) müssen wir NEIN sagen zu allen Privatisierungsversuchen, wenn es auch nur in irgendeiner Form um die tägliche Daseinsvorsorge geht: einschl. Müll, Wohnungen, Strom und Heizung. Der ÖPNV ist im Übrigen ein ganz besonders schlimmes Beispiel, wie aus den o.g. Profitgründen oder wg. "Brüssel/freier Wettbewerb" bürgernahe Strukturen zerschlagen wurden und werden. Als wache und aufrechte Demokraten müssen wir erkennen, wie die Gewichte... und wie die Lasten verteilt sind, sein sollen, sein werden. Und zu einem großen Teil auch...sein könnten. Wenn wir uns nicht beirren lassen und unsere bürgerschaftliche Gestaltungsmacht, wo und so vorhanden, entschlossen einsetzen.

Machen wir uns nichts vor: offenkundig gibt es in jeder Partei genügend schmutzige Hände, die in ihrer unendlichen Gier nehmen, was sie kriegen können. Ganz oben in der Wirtschaft werden 100 Millionen Salär für angemessen gehalten - da geraten weiter unten wohl alle Maßstäbe von Anstand und Ehre ins Wanken.

Keine Privatisierung, wenn eine wachsame und tüchtige und öffentliche Hand zur Stelle ist. Vollkommen klar: das Firmengeflecht, das in Köln geschaffen worden ist (s. den FR-Bericht!) kann von keinem Parlamentarier mehr durchleuchtet und aufgehellt werden. Abgesehen davon, daß so viele formalrechtliche Hürden aufgetürmt sind, daß die Geschäftemacher sich ganz bequem dahinter verschanzen können.

Selbst im ruhigen Eschborn kann das abgelesen werden: kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt hat der vormalige Bürgermeister Herkströter an allen Gremien vorbei und gegen den Willen aller (wirklich aller!) Fraktionen als Aufsichtsratsvorsitzender der StEG (Städtebauliche Entwicklungsgesellschaft Eschborn) als Kunstobjekt einen Holzkopf = Hohlkopf gekauft, der nach jüngsten Äußerungen ca. 250.000 DM gekostet haben soll. Rechtfertigungen? I wo! Rechtspositionen machen das möglich.

Juristen loten im Zweifel aus, “was geht”. Die Rechtsprechung ist in unserem Lande bekanntlich sehr formal eingestellt. Durch Machenschaften jedwelcher Art erhaltene Vorteile werden nur im Ausnahmefall an die geschädigten Kommunen, an die öffentlichen Hände, doch bestimmt nicht  an die betrogenen Bürger zurückgeführt.

10.3.2002

Ich beziehe mich auf die sehr lesenswerte Dokumentation in der FR vom 8.3.2002 “Die Genossen der Trienekens” von Werner Rügemer, aus Kölner StadtRevue 10.1995, für die FR aktualisiert. Bis etwa Ende April 2002 nachzulesen unter www.fr-aktuell.de/start/doku. Ich gestatte mir, die Verknüpfungen breiter anzulegen.