Einbürgerung.
Eine zeitgemäße Forderung. Sollte man meinen.

Ich meine, wir sollten weniger darüber sprechen, wer "gegen" etwas ist, mit welchen Argumenten auch immer, sondern uns mehr mit dem "warum" befassen: warum einbürgern, warum haben welche Menschen Bedenken? Sind da wirkliche Bedenken, dann hat das nichts zu tun mit Rassismus, sondern weist eher darauf hin, daß das Thema der Ausländer in Deutschland einen ganz diffusen Platz in unseren Köpfen besetzt: Wissen um Fakten, Sorge um den Frieden in der Gesellschaft.

Für eine Vergiftung des Klimas haben vor allem all die Gutmenschen gesorgt, die uns Normalbürgern von früh bis spät nur zu sagen wußten, daß wir Deutschen ganz schlechte human beings sind - vermutlich im Gegensatz zu allen anderen Menschen der Welt. Und man steigerte sich noch: "Wie gut, daß es Ausländer in Deutschland gibt - das läßt hoffen." Wie auch Volker Beck/Grüne sich vor ein paar Tagen in der Frankfurter Rundschau zu der tollen Aussage verstiegen hat, daß bei den Deutschen der Drang, Juden zu töten, schon eine geschichtliche Größe habe. Die Einbürgerungsbemühungen der rot-grünen Koalition, die ich sehr begrüße, treffen auf eine verunsicherte Menschheit in deutschen Landen. Trotzdem bin ich optimistisch, daß "es schon werden wird". Meine Gedanken habe ich in einem Leserbrief an meine Lokalzeitung formuliert:

“Aus allen Zeitungsspalten hallt es dumpf: Angst und Dummheit sind wieder Trumpf - es ist zum Mäusemelken. Läutet das Vorhaben der rot-grünen Koalition etwa den Weltuntergang ein? Den Untergang des Abendlandes? Oder gar den Untergang Deutschlands? Nichts von alledem. Die alte Koalition hat 16 Jahre Zeit gehabt, den zu Recht (nach den Gesetzen unseres Landes) teils seit vielen Jahren und Jahrzehnten hier lebenden Ausländern eine gesicherte Position in unserer Gesellschaft zu geben, mit allen Rechten und Pflichten - und nachhaltig auf Integration zu drängen: nichts ist getan geworden. Jetzt dagegen das große Lamento. Und Hinz und Kunz geben Unterschriften als gelte es, ein Bekenntnis zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung abzugeben...

Fragen wir doch einmal ganz nüchtern: was passiert eigentlich, wenn jemand zwei Pässe hat? Ich persönlich neige zwar auch mehr der Vorstellung zu, wer wirklich hier vollwertig leben will, soll das nach den bestehenden Gesetzen tun - aber das ist für mich keine Glaubensfrage. Was also passiert denn künftig Schreckliches? Ich bin überzeugt: garnichts. Viele Ausländer werden hoffentlich den richtigen Schritt tun und ihren, unseren, deutschen Paß beantragen und die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, die in meinen Augen ein hohes Gut ist. Damit machen wir als "eingeborene" Deutsche deutlich: "Leute, jetzt habt Ihr Euren Willen gekriegt - wir erwarten jetzt von Euch ganz große Anstrengungen zur Integration, zur Anpassung (auf keinen Fall: Unterwerfung!) an die hiesige Kultur. Fühlt Euch wohl - und seit willkommen als neue Staatsbürger!"

Was sich hinter den großen Aufschreien mancher Menschen verbirgt, ist m.E. etwas ganz anderes: die große Sorge, daß zu viele der neuen Bürger in ihren sprachlichen, kulturellen und Wohngettos bleiben und Inseln von Fremden in unserem Lande bilden. Das darf nicht sein, allen Versuchen, sich weiterhin abzuschotten, muß nachdrücklich ein Riegel vorgeschoben werden: durch nachdrückliche Angebote zur wirklichen Integration. Ich bin davon überzeugt, je mehr sich die neuen Bürger hier wohl fühlen, nicht "angemacht" oder angepöbelt werden, also sehen, daß sie als ganz normale Mitmenschen akzeptiert werden, um so schneller werden sie in unserer Gesellschaft "ankommen". Und sich auf eine Zukunft in Deutschland einrichten. Wo sollte die Zukunft dieser Mitmenschen denn wohl sonst liegen?

Was nicht sein darf, will ich auch nicht verschweigen - und das ist die Aufgabe der Regierung, der Koalition, des Staates, aller möglichen Organisationen und Menschen: die Ausländer, die dann Inländer werden, müssen ganz schnell einwandfreie Sprachkenntnisse haben (sofern noch nicht voll ausreichend vorhanden), sollten sich immer mehr im allgemeinen Umfeld bewegen und die kulturellen Zwänge der alten Heimaten und Kulturen ablegen. Wir können es nicht dulden, daß sich fremde Volksgruppen hier fest einigeln und die Streitereien "von früher" mitten unter uns aufleben lassen: Türken - Kurden, Serben - Kroaten. Und daß vielleicht irgendwann Radio TRT oder die Türkei groß für "ihre" Türken in Deutschland intervenieren.

Wir wissen, daß Menschen auf der ganzen Erde aggressiv und intolerant gegen Minderheiten sind; das ist so, das werden auch wir nicht ändern können. Deshalb ist es um so dringlicher, daß unsere Neubürger bald voll und ganz mit Herz und Verstand hier ihr neues Leben führen. Die alte Heimat darf und soll man ruhig im Herzen führen und den Kindern davon erzählen - keine Frage. Das mache ich "Neu-Eschborner" (mit 30 Jahren Wohlfühlen in meiner Stadt) doch auch. Ich sehe da keinen Unterschied."

22.1.1999

Rot-Grün wollte mit aller Macht etwas für die Ausländer tun: erleichterte Einbürgerung, von der CDU auf “Doppelpass” reduziert.

Das Ergebnis war verblüffend: reihenweise wollten die Wähler in Hessen unterschreiben: “gegen die Ausländer”. Warum?

Grüne und Rote und andere Gutmenschen haben jahrelang ein Trommelfeuer gegen “die Deutschen” und für “die Ausländer” gemacht. Das war wohl zu viel des Guten. Die Wut zu vieler Menschen entlud sich dann in der hessischen Landtagswahl. Die CDU gewann. Völlig unerwartet.

Und nun?

Nachtrag im Mai 2000:
Kaum jemand von den berechtigten Ausländern macht Gebrauch vom Recht auf juristische Integration. Da hat “man” uns also jahrelang umsonst beschimpft? Und die verlorene Hessen-Wahl? Auch umsonst.