Über die "deutsche Volksseele"

Ihr FR-Gespräch vom 13.11.03

Guten Tag, Herr Dr. Korn,

stammen alle Äußerungen wirklich von Ihnen? Wenn ja, bitte ich doch um wohlbedachte Aufklärung.

Im Rahmen der allgemein erwarteten Graffiti-Schmierereien, über die sich ja auch private Hausbesitzer zunehmend ärgern müssen, sprechen Sie davon, daß diese Schmierereien am Mahnmal "auch Ausdruck der deutschen Volksseele" seien. Das hat mich richtig nachdenklich gemacht - was ist das, eine "Volksseele", eine deutsche gar, die da sogar etwas ausdrückt?

Bei den Nazis wäre mir das "normal" gewesen - da gehörten "das deutsche Volk" und gar viele Abwandlungen dieser völkischen Begriffe zum täglichen Brot, das auch ungefragt täglich millionenhaft konsumiert werden mußte. Aber bei Ihnen, Herr Dr. Korn? Bei mir? In der heutigen Zeit?? Das müssen Sie mir erklären…

Oder geht es um pauschale Verunglimpfung, um Sippenhaft, wie es die Antisemiten seit Jahrhunderten gemacht haben? Jetzt eben andersherum? Und ebensolches aus Ihrem Munde? Das darf doch wirklich nicht wahr sein.

Aber da Sie ebenso Deutscher sind wie ich, sind diese Schmierereien auch Ausdruck Ihrer Teils dieser "Volksseele"? Und doch wohl auch meines Anteiles? Da dreht sich mir schier alles im Kopf - und ich verstehe den klugen Kopf Salomon Korn nicht mehr. Was also will Ihre deutsche Volksseele ausdrücken? Bitte klären Sie mich auf, bevor die Schmerzen unerträglich werden…

14.11.03

Die von Salomon Korn erwähnte “deutsche Volksseele” hat mich stutzig gemacht, nachdenklich, irritiert: sind wir wieder so weit? Die “deutsche Volksseele” drückt etwas aus - in der heutigen Zeit? Ich schrieb Dr. Korn... und harre immer noch mit banger Neugier der Auf- und Erklärung.

18.11.03

Das Bemühen, das Mahnmal in Berlin endlich in der realen deutschen Wirklichkeit ankommen zu lassen, macht immer wieder deutlich, wie sehr auch das heutige Deutschland in der unmittelbaren Nachfolge des Nazi-Reiches steht.

Durch das Denkmal muß Geschichte fließen - FR- Gespräch mit Dr. Salomon Korn (Auszug):

FR: Ein Kompromiß im Kuratorium könnte also so aussehen: Der existierende Teil bleibt bestehen, aber die Arbeiten gehen weiter ohne die Degussa.

 Salomon Korn: "Das wäre wahrscheinlich im Sinne jenes Teils der Überlebenden, die an der Beteiligung von Degussa Anstoß nehmen. Für sie wäre das die vernünftigste Lösung. Vielleicht stellt sich ja bei der Kuratoriumssitzung heraus, dass man auf den Graffitischutz verzichten muss, weil es im Bereich der Chemie keine entsprechende Firma gibt, die nicht direkt oder indirekt an den nationalsozialistische n Verbrechen beteiligt war. Zugleich könnte man die Frage stellen, ob Graffiti dem Mahnmal überhaupt schaden. Sie sind doch auch Ausdruck der deutschen Volksseele, damit würde das Mahnmal zu sprechen beginnen."