Brief an einen Freund, der sich über Israel, Juden und Opfer seine eigenen Gedanken macht. ... da bist Du ja völlig p.c.! Du hast genau die Generallinie inne,
die in D so viel gilt. Kein Blick auf die Vergangenheit, auf 100 Jahre Verdrängung, Unterdrückung, Sklaverei - Du willst nicht wahrhaben, daß sich das großmächtige Israel zumindest seit 1967 aus den besetzten Gebieten zurück ziehen muß. Und damit einen Riesenschnitt (völkerrechtlich anerkannt - durch Palästina und die arabischen Staaten!) macht - gemessen an dem, was 1947 kreiert wurde. Dann 1948 erobert - und in jedem vorsätzlich geführten Angriffskrieg mehr erobert. Menschen
vertrieben - 1947/48 schon etwa 850.000. Häuser, Dörfer, Felder, Bäume, Bewässerungsanlagen zerstört, immer wieder Menschen vertrieben, verjagt, gekillt. Unrecht ohne Ende. Und die Bodenschätze (Wasser!) hemmungslos ausgebeutet.
Aber Du siehst es nicht, leugnest es. Erlaubst Dir den Luxus, ausschließlich vom Terror der Unterdrückten zu reden - warum redest Du nicht zunächst einmal vom Terror der Unterdrücker? Warum redest Du nicht von einem Israel, das sich bis heute keine Grenzen
gezogen hat - ein Staat ohne selbstdefinierte Grenzen ist ein Stand in ständiger Expansion. Israel ist das häßlich leuchtende Beispiel dafür.
Doch alles wird so bleiben, fast. Israel will keinen Frieden, es will die Alleinherrschaft. Unverändert - und ungeschmälert. Das war von Anfang an so. Nicht nur seit der Staatsgründung, sondern auch in den Vorstellungen der frühen Zionisten. Das bleibt so, denn Israel ist großmächtig, hat keinen Gegner zu fürchten - und ist selbstherrlich
bis in die Stiefelspitzen.
"Fast" - warum sage ich fast? Israel treibt die USA zusätzlich an, den Krieg, den Angriffskrieg, gegen den Irak zu führen. Nicht nur, weil man auch da mal wieder reinen Tisch machen will, sondern weil die Gelegenheit günstig erscheint, seine "eigenen" Palästinenser endgültig zu vertreiben. Möglichst viele. Endlich mal wieder. Das wird Dir doch bekannt sein?
"Jüdisches": das habe ich als Obergriff gewählt, weil ich sonst
auch an dieser Stelle schreiben müßte von "Israel-Palästina, Juden-Palästinenser, Juden und Palästinenser in Israel, Juden in D und EU, Palästinenser in Palästina". Das wäre ein bißchen viel. Und unübersichtlich. Aber ich werde darüber nachdenken. Vielleicht hast du recht.
Du solltest mal mehr über die Palästinenser als Opfer reden. In der zweiten Intifada sind dreimal so viele Palästinenser umgekommen (i.d.R. durch die Staatsmacht, durch die IDF, durch Panzer, Kampfbomber
und Raketen, durch Scharfschützen und viele, viele Liquidierungen, die einer angeblichen Kulturnation unwürdig sind), unendliche viele Kinder, Jugendliche, Frauen und Kranke. Immerhin: es gibt doch noch den einen oder anderen Juden in Israel, der sich seiner Regierung und ihrer Untaten schämt. Über die jüdischen Opfer wird lang und breit berichtet - über die anderen nur dann, wenn Gewehre abgefeuert werden. Das ist natürlich nur Zufall. Mensch ist gleich Mensch. Auch für deutsche
Journalisten. In der Zeitung und im Fernsehen. Und für die ganz gewöhnlichen Deutschen, die ihr schlechtes Gewissen, der Vergangenheit wegen, durch Nibelungentreue gegenüber dem Staat Israel beruhigen wollen. Da wird aber nix draus. Unrecht ist Unrecht. Auch dann, wenn die berühmten guten Deutschen das nicht einsehen wollen.
"Israeli" kann man nicht pauschal anstelle von "israelischen Staatsbürgern" sagen, da es Juden, aber auch Palästinenser und Drusen sein
können. Und es ist eben nur die Masse der jüdischen Israelis, die diese fürchterliche Politik ihrer Führung mitmacht. Die palästinensischen Bürger des Staates Israel wirst du dafür wohl nicht in Haftung nehmen wollen.
Salve! Es lebe der Unterschied. Nicht nur der kleine... 2.12.2002 |